Konsequenzen aus den weltweit größten Tests für Rostschutzmittel
von Gerd Cordes
Saab - Klassiker müssen nicht wegrosten
Gut, alles klar! Dieser Artikel ist schon fast unverschämt lang. Und nicht nur das: Zu allem Überfluss hat der Autor den Text auch noch in der Ich - Form verfasst und auf bunte Fotos mit schönen Saabs ganz verzichtet.
Sorry dafür, aber es ging nicht anders: Dieser Artikel ist nicht nur ein persönlicher Erfahrungsbericht, sondern auch die Geschichte von der Entstehung der weltweit größten Tests zum Thema Rostschutz überhaupt.
Wer also einfach nur kurz und knapp zusammengefasst nachlesen möchte, was wirklich gegen Rost hilft, der kann sich jetzt mit den letzten Zeilen begnügen und Zeit sparen.
Rost - Schock auch bei Schwedenstahl
Wer seinen Saab aber wirklich liebt (und vielleicht seinen Enkeln in zwanzig Jahren erzählen möchte, warum sein ungewöhnlich schönes schwedisches Auto immer noch nicht weggerostet ist), der will jetzt alles wissen und liest eh weiter.
Obwohl die schwedische Autohersteller dafür bekannt sind, dass sie sich beim Korrosionsschutz weit mehr Mühe geben als andere, kann die Liebe zum Saab nach rund zehn Jahren einen ersten Knacks bekommen. Denn spätestens jetzt zeigt sich irgendwo am Wagen Rost. Die anfälligen Ecken und Kanten müssen an dieser Stelle nicht aufgezählt werden. Wer wie ich einen Saab 900 hat, der kennt sie oder wird sie bald kennen lernen.
Wer einen bislang noch nicht angerosteten Wagen besitzt, sollte einmal auf einen Schrottplatz gehen und in der Saab - Ecke bummeln. Hier habe ich schon Menschen getroffen, denen es wegen der schweren Rostschäden an aufeinander gestapelten 900ern spontan Tränen in die Augen getrieben hat.
Echte Schockkuren habe ich auch schon einigen unverbesserlichen Saab Besitzern verpasst, die immer noch behaupten, dass alle Autos rosten, nur ihr glänzendes und perfekt gepflegtes Saab Cabrio eben nicht. Ein schneller Blick in ganz bestimmte Hohlräume mit meinem Endoskop und aus solchen Besserwissern wurden verängstigte Autobesitzer, die nie mehr bei hoher Luftfeuchtigkeit, geschweige denn bei Regen, gefahren sind.
Durchrostungen an den verschiedensten Stellen und immer die gleiche Ursache
Das Problem Rost kann gelöst werden, denn es hat immer die gleichen Ursachen. Das wichtigste zuerst: Autos mit selbsttragender Karosserie rosten von innen nach außen. Deshalb ist ein gut gepflegtes Auto mit glänzendem Lack nicht automatisch rostfrei, da die Oxidation meist nur dort stattfindet, wo sie unsichtbar ist: In den Hohlräumen.
Ob ein Auto regelmäßig gewaschen wird oder nicht, ist also nicht unbedingt entscheidend. Über die Lebensdauer des Autos wird in den engen und verwinkelten Hohlräumen entschieden. Zum einen sind sie werksseitig meist nur schlecht geschützt und zum anderen sammelt sich hier ein gefährlicher Cocktail aus Dreck, Kondenswasser und Salz.
Erster Versuch...
Schon als Student bereitet mir das Thema Rostschutz heftige Kopfschmerzen. Über einen Zeitraum von drei Jahre restauriere ich an den Wochenenden einen eigentlich schrottreifen 1968er Fiat 850 Spider. Da ich für die Konservierung der von innen immer noch angerosteten Holme nicht irgendein Mittel nehmen will, beginne ich damit, unzählige Produkte einzukaufen und zu testen.
Über den Winter werden von innen sandgestrahlte und durchlöcherte Blechdosen in den Garten gestellt. Die verschiedenen Hohlraumkonservierungsmittel werden streng nach Herstellerangaben in die von innen schon leicht angerosteten Dosen gespritzt.
...und erste Enttäuschung!
Beim Öffnen der Dosen im Frühjahr ist die Enttäuschung groß. Auch die durch Anzeigen in Fachzeitschriften bekannt gewordenen Markenprodukte auf Wachsbasis können auf dem angerosteten Blech nicht überzeugen. Meine Vermutung schon damals: Weil die lösemittelhaltigen Wachse nach einigen Monaten so stark austrocknen, dass sie rissig werden und an einigen Stellen aufplatzen, kann Kondenswasser bis aufs Blech durchdringen.
Nichts also für Gebrauchtwagen und schon gar nicht für meinen alten Fiat: Trotz der schon lange abgeschlossenen Restauration sind die Hohlräume von innen immer noch unbehandelt und rosten weiter. Weil ich die jahrelange Arbeit nicht aufs Spiel setzen will, lasse ich den Wagen jetzt bei Regen in der Garage stehen.
Öl gegen Rost...?
Da die mir bekannten Hohlraumwachse nach meinen ersten Erkenntnisse offensichtlich nur bei neuen also rostfreien Autos funktionieren, beginne ich mit zweckentfremdeten Ölen zu experimentieren. Im Vergleich zu den Wachsen haben sie einige Vorteile: Sie sind extrem kriechfähig und dringen auch in Falze ein. Die dünnflüssigen Mittel wandern in die Spalten und schützen dort vor Rost. Außerdem enthalten sie keine Lösemittel und trocknen deshalb nicht so schnell aus.
Doch schon nach einigen Monaten zeigt sich bei meinen Testdosen im Garten, dass auch die Öle nicht perfekt sind. Durch das in den Blechdosen immer wieder aufs neue entstehende Kondenswasser werden sie langsam aber sicher ausgewaschen.
Es gilt also Mittel zu finden, die die Vorteile von Hohlraumwachsen (dicke Schutzschicht) und Ölen (hohe Kriechfähigkeit) vereinen, ohne im Laufe der Zeit spröde und rissig zu werden.
...oder vielleicht besser selbstgemixtes Fett?
Auch Versuche mit selbstgemischten Schmierfetten, die vor dem Einspritzen in die Testdosen erhitzt und verflüssigt werden, scheitern. Die nach dem Einspritzen erstarrte Fettschicht hat zwar eine hohe Kriechfähigkeit und auch eine gewisse Schutzwirkung, taugt war aber dennoch nicht als Rostschutzmittel. Sobald die Dosen von der Sonne erwärmt werden, rutschen meine Fettmixturen am senkrechten Blech ab. Das Material sammelt sich unten im Behälter und verstopft die Ablauflöcher für`s Kondenswasser. Meine Erkenntnis damals: Ohne deutlich verbesserte Haftung am Blech und ohne spezielle Korrosionsschutzadditive, die in Ihrer Wirkung auf einander abgestimmt werden müssen, komme ich mit meinen selbstgemischten Fetten nicht ans Ziel.
Erste Artikel von mir zum Thema "Rostschutz beim Saab 900" erscheinen dann in der Mitgliederzeitschrift vom Saab Club. Bei den Mitgliedern des Clubs hat sich meine "Rost - Allergie" mittlerweile herumgesprochen. Obwohl ich schon seit einiger Zeit als Journalist arbeite, verbringe ich meine Wochenenden wieder damit, Saabs zu zerlegen und zu konservieren.
Erster großer Test für TV-Oldtimermagazin
Mitte der neunziger Jahre werden dann die Vorbereitungen für einen neuen Test getroffen: Für das TV-Magazin "Faszination Oldtimer" sollen jetzt 15 Rostschutzmittel für Autohohlräume geprüft werden. Als Testbehälter dienen wieder von innen angerostete Blechdosen. Damit die Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten besser sichtbar werden, lassen wir die Dosen nach der Behandlung mit den einzelnen Mitteln dieses Mal gleich anderthalb Jahre im feuchten Gras stehen.
Am Beispiel meines alten Fiats zeigen wir den Zuschauern im Fernsehbeitrag auch, welchen Schaden der Rost unter Innenkotflügeln und in Holmen anrichten kann: Mit einem flexiblen und an die Fernsehkamera angeschlossenen Endoskop untersuchen wir alle vom Rost angegriffenen Hohlräume. Das über anderthalb Meter lange Endoskop zeigt uns, was passieren kann, wenn die falschen Rostschutzmittel verwendet werden: Fingerdicke und wohl schon seit Jahren ausgetrocknete Wachsschichten in den unteren Bereichen der Hohlräume haben sich mit Laubresten, Sand und Straßendreck vermischt. Ideale Bedingungen für Rost also, weil Feuchtigkeit lange gespeichert wird.
Das Ergebnis nach 18 Monaten Wettrosten im feuchten Gras ist unbefriedigend: Nur wenige der bekannten Markenprodukte können das Weiterrosten verhindern. Schon damals wird aber ein Vorsprung von Korrosionsschutzfetten sichtbar.
Anforderungen an Rostschutzmittel für Autohohlräume
Bei diesem noch recht einfachen Test wird auch deutlich, welche erschwerten Anforderungen ein Korrosionsschutzmittel für Gebrauchtwagen wirklich erfüllen muss:
-hohe Kriechfähigkeit in Blechfalzen und Spalten
-keine Rissbildung in der Schutzschicht. Standfestigkeit der Schutzschicht über Jahre
-Haftfähigkeit an senkrechten Blechen auch bei Hitze im Sommer
-und das wichtigste: rosthemmende Wirkung auch auf bereits angerostetem Blech
Länger, größer, besser: Neue Tests für Auto Bild und den ARD Ratgeber Technik
Nach der Kritik einiger Hersteller an den angeblich "nicht praxisgerechten Prüfbedingungen" wegen der bereits angerosteten Dosen, bereite ich 1998 zwei sehr aufwändige Langzeit - Tests vor:
Für das Verbraucher - Magazin ARD Ratgeber Technik wird ein Test über die Wirksamkeit von Rostschutzmitteln und Rostumwandlern gestartet. Die bei dieser Prüfung auf bereits angerostetem Blech getesteten Rostschutzgrundierungen sind nicht für`s Auto, sondern für Heimwerker gedacht. Da einige der getesteten Rostumwandler aber ebenfalls als Hohlraumkonservierer für Autos verkauft werden, sind die Ergebnisse an dieser Stelle dennoch interessant.
Zeitgleich bereite ich in Zusammenarbeit mit einem Kollegen von Auto Bild ein weiteres Projekt vor. Dieses Mal geht es wieder ausschließlich um das Thema Auto: "Hohlraumkonservierungen für Gebrauchtwagen im Test".
Kompetente Partner für die aufwändigsten Tests aller Zeiten
Schon bald meldet die Abteilung "Korrosionsschutz" vom Bundesamt für Materialforschung und Materialprüfung in Berlin (BAM) ihr Interesse an meinen Tests an. Die Durchführung beider Prüfungen mit bereits angerosteten Blechen wird ausdrücklich begrüßt: "Endlich mal ein Test unter Praxisbedingungen". Enge Absprachen bei der Auswertung der Tests werden verabredet.
Für die Durchführung der Tests können kompetente Partner gewonnen werden: Der Test für den ARD Ratgeber Technik wird am renomierten Institut für Korrosionsschutz in Dresden durchgeführt. Für den Auto Bild - Test wird der Fachbereich Chemie der Universität in Oldenburg als Partner gewonnen.
Praxisnahe Prüfbedingungen
Der Test an der Oldenburger Universität soll endlich Klarheit bringen: Was kann man als Besitzer eines Gebrauchtwagens nachträglich tun, um den Rostfraß in den Hohlräumen wirkungsvoll zu stoppen? Welche Mittel helfen weiter? Fette, Wachse oder vielleicht sogar Rostumwandler?
Die Testbedingungen sind hart aber praxisnah: Die einem Autoschweller nachempfundenen Prüfbehälter sind rund 60 cm lang und von innen bereits leicht angerostet. Ein wichtiger Unterschied zu den Tests vorher: Im Winter wird in regelmäßigen Abständen eine vierprozentige Salzlösung in die Testkästen gesprüht. Der Salzsprühnebel sorgt für autobahnähnliche Verhältnisse auf unser Testwiese in Oldenburg.
Für jedes Produkt gibt es gleich drei Testkästen, die im Abstand von einem Jahr geöffnet und bewertet werden. Zufallsergebnisse können so ausgeschlossen werden.
Im Laufe der drei Jahre, in denen die Testkästen auf der Wiese stehen, verfasse ich diverse Artikel zum Thema Langzeittest. Regelmäßig fahre ich mit Kollegen von Auto Bild zur Uni nach Oldenburg. Mal einfach nur, um mit einem Endoskop einen Blick ins Innere der Kästen zu werfen, mal um einen ganzen "Jahrgang", d.h. 20 Stück abzubauen und zur Auswertung mit nach Hamburg zu nehmen. Wieder einmal erweist sich ein Endoskop als wertvolle Hilfe schon lange bevor sich der Rost bis nach außen durchgefressen hat können wir das Ausmaß der Schäden erkennen und Zwischenbewertungen vornehmen.
Das Ergebnis
Das Ergebnis nach drei Jahren "Wettrosten" auf der Wiese ist eindeutig. Platz 1 und 2 für Korrosionsschutzfette. Beide Mittel kommen von kleinen Firmen und sind in der Oldtimerszene bereits seit Jahren Geheimtipps. Die meisten der mit Marken - Wachsen, Ölen und Rostumwandlern behandelten Testkästen sind von innen so stark verrostet, dass sie beim Anheben knirschen. Einige fallen beim Zerlegen sogar auseinander.
Platz 1: Das Korrosionsschutzfett von Mike Sander
-Das selbstentwickelte Fett des Karosseriebau - Ingenieurs und Oldtimerrestaurators aus Schleswig Holstein muss vor der Verarbeitung auf 110 Grad erhitzt werden. Hierfür empfiehlt sich ein von ihm vertriebenes Zubehörpaket bestehend aus einem Kocher und einer temperaturresistenten Druckbecherpistole.
-Beim Test zeichnet sich das Produkt durch hervorragenden Korrosionsschutz und sehr gute Kriechfähigkeit aus. Auch nach drei Jahren sind in der Schutzschicht keine Risse entstanden. Der Fettfilm haftet an den senkrechten Blechen ohne abzurutschen. Testurteil "Autovorbildlich".
-Rund 100 Vertragspartner und Servicestationen in ganz Deutschland verarbeiten das Korrosionsschutzfett. Der Preis für die Behandlung einer Mittelklasselimousine: Je nach Aufwand rund 450 Euro. Ein 4 kg Eimer kostet 45 Euro. Die Menge reicht für ein Fahrzeug. Wer unter dem Stichwort "forum" direkt bei Sander bestellt, erhält 2% Skonto und bekommt auf besonderen Wunsch einen Spritzplan für den Saab 900 sowie weitere Tipps zum Thema Rostschutz kostenlos mitgeliefert.
Kontakt: Dipl. Ing. Michael Sander, Am Bahnhof 4, 25358 Horst/Holstein, 04126-2095, www.mike-sander.de
Platz 2: Das Siegafett von Gerd Mönnich
-Auch der zweite Platz geht an ein Korrosionsschutzfett. Das ebenfalls selbstentwickelte "Siegafett" von Citroen Händler Gerd Mönnich gilt in Friesland bei Oldtimerbesitzern als Geheimtipp.
-Im Test bildete sich nach drei Jahren unter der Schutzschicht allerdings ein wenig Rost und verfärbte das sonst graue Fett an einigen Stellen braun. An den Flächen war die Schutzschicht durch den Salzsprühnebel stellenweise etwas abgewaschen. Im Vergleich zu den meisten Wachsen aber insgesamt dennoch guter Korrosionsschutz.
-Trotz des guten Testergebnisses wird das Fett nicht vertrieben. Das Produkt wird nur in der Citroen - Werkstatt im friesischen Rastede verarbeitet. Der Preis für die Behandlung einer Mittelklasselimousine: Je nach Aufwand rund 450 Euro.
Kontakt: Autohaus Mönnich, Spohler Straße 111, 26180 Rastede, 04454-577
Weitere Infos zum Abschneiden der einzelnen Konservierungsmittel:
-Der Test für den ARD Ratgeber Technik:
www.ndrtv.de/ratgebertechnik/themen/rostschutz.html
-Die gescannte Abschlussuntersuchung des Auto Bild Tests findet sich als Volltextversion auf einer österreichischen Citroen - Seite:
www.citroen.ac/downloads/2002_10046_Rost.pdf
-Weitere interessante Artikel zum Thema Rost können auch bei Auto Bild selbst nachgelesen werden (Stichwort "Rostschutz" eingeben):
www.autobild.de
Fazit
-Bei den Tests hat sich deutlich gezeigt, dass professionell hergestellte Korrosionsschutzfette sehr gute Ergebnisse liefern können. Für die Verarbeitung braucht man allerdings etwas Geschick, eine temperaturresistente Druckbecherpistole und entsprechendes Zubehör.
-Unter praxisnahen Prüfbedingungen, d.h. unter dem Einfluss von Salzsprühnebel in bereits angerosteten Hohlräumen, habe ich mit Hohlraumwachsen schlechtere Erfahrungen gemacht. Besonders in Falzen und Spalten schützen sie wegen ihrer schwächeren Langzeitkriechwirkung nur begrenzt.
-Das Hohlraumwachs Teroson HV 400 erreichte beim Auto Bild - Test dennoch einen respektablen dritten Platz und distanzierte sich deutlich von vergleichbaren Wachsen.
-Die Rostumwandler versagten nicht nur beim Auto Bild Test, sondern auch bei meinen Tests für den ARD Ratgeber Technik am Institut für Korrosionsschutz in Dresden.
Wer seinen Wagen konservieren lassen möchte oder Fragen zum Thema Korrosionsschutz hat, kann mich gerne anrufen. Auch Endoskop - Untersuchungen sind möglich.
Gerd Cordes
Himmelstraße 40
22299 Hamburg
040-460 93910
0172-2704 600
gwcordes@web.de
Übrigens...
Obwohl ich mein altes italienisches Cabrio schon lange mit Korrosionsschutzfett behandelt habe, steht er jetzt nicht nur bei Regen wieder häufig in der Garage. Nicht, dass Rost jetzt noch ein Problem wäre - ich habe einfach keine Zeit mehr, denn ich muss mich um ein anderes Auto aus Italien kümmern. Ein Freund, der dort regelmäßig nach rostfreien und gut erhaltenen Saabs sucht, hat mir einen sehr schönen offenen 900er von 1993 mitgebracht. Bevor ich den Wagen aus der Garage hole, muss er allerdings unbedingt konserviert werden!

