Kaufberatung für Saab 900 Bj 1978 bis 1993
von H. Lehmann
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ALLGEMEIN: schick, praktisch und zuverlässig - und einfach etwas anders !
Der alte Saab 900 beweist, daß sich das Besondere lohnen kann. Das ungewöhnliche Aussehen und die innovative Technik dieses Fahrzeugs ziehen Käufer an, die es individuell lieben. Aber die Andersartigkeit verlangt kein Opfer an Nutzwert - ein riesiger Kofferraum, gute Straßenlage mit ganzjahrestauglichem Frontantrieb und ausgezeichnete Verarbeitung führen dazu, daß gute gebrauchte 900er immer eine Nachfrage finden. Vergleichsweise harte Federung und etwas enger Raum auf den Rücksitzen sind die einzigen Nachteile.
Die Saabs vor der Turbo-Ära waren solide Mittelklasse mit viel zugekaufter und nicht sonderlich aufregender Technik. Aus der Masse heraus standen nur die fortschrittliche Aerodynamik der Modelle 92 bis 96, manche etwas schrulligen Details, die für Winter und Schlechtwetter ausgelegte Konstruktion und Serienausstattung und der in Deutschland heftig teure Listenpreis auf dem Niveau der etablierten deutschen Konkurrenz.
Das änderte sich mit dem Modell 99 Turbo im Jahre 1977. Eigentlich war der Turbomotor bei Saab aus der Not geboren: Der Markt forderte stärkere Motoren, die bei Saab aber weder in der Entwicklung noch in der Fertigung das schmale Budget der geringen Stückzahlen sprengen durften. Im Unterschied zu den Aggregaten der Turbofahrzeuge anderer Hersteller bekam Saab den Turbomotor auf Anhieb alltagstauglich und standfest hin - das Modell wurde zu einem Kultfahrzeug. Ende der siebziger Jahre konnte man kaum eine coolere Sportlimousine kaufen als den 99 turbo !
1978 debütierte der Saab 900 als Weiterentwicklung des Saab 99 und war auch mit der Turbomaschine zu haben. Der Ruf des Vorgängers übertrug sich auf dieses Modell. Der Vorderwagen bis zur A-Säule war verlängert worden, die Fahrgastzelle und das Heck der praktischen "Combicoupé"-Karosserie wurden fast unverändert übernommen. Mit wenigen äußerlichen Änderungen, aber vielen Weiterentwicklungen im Detail wurde der 900 bis 1993 als moderner Klassiker gebaut. Auch heute bieten gebrauchte 900er enorm viel für's Geld - neben handfestem Gebrauchswert vor allem eine Aura des Besonderen.
Nachteilig am 900 sind die möglichen hohen Kosten für Teile und Reparaturen. Deshalb ist es sinnvoll, die Betriebskosten in einem vernünftigen Rahmen zu halten, indem man bei Problemen einen unabhängigen Spezialisten mit gutem Ruf aufsucht. Durch die etwas sprunghafte Vertriebspolitik haben viele aktuelle Händler und Saab-Zentren ihren Vertrag erst nach der Zeit des alten 900 erhalten - deren Mechaniker kennen sich daher nicht so sehr mit diesen Fahrzeugen aus.
Die große Mehrheit der angebotenen Fahrzeuge hat über 200.000 km auf dem Tacho. Das muß im Unterschied zu anderen Fabrikaten nichts bedeuten, denn 900er erreichen hohe Laufleistungen - auch Autos mit hohem Kilometerstand kann man mit Vertrauen auf weiterhin anhaltende Zuverlässigkeit kaufen. Dazu muß man aber ein Auto wählen, das gepflegt wurde und ein vollständiges Scheckheft aufweist - und auch weiterhin die Wartung in den vorgesehenen Intervallen weiterführen. Ungepflegte und vernachlässigte Exemplare sollte man unbedingt vermeiden, wenn man kein Risiko eingehen kann oder will.
DIE MODELLE
Motoren
Der Motor im 900 hat bis auf die erwähnte Ausnahme 2 Liter Hubraum, der sich auf vier Zylinder verteilt. Er ist längs eingebaut und um 45 Grad zur Beifahrerseite geneigt, hat einen Graugußblock und einen Zylinderkopf aus Aluminium. Die Kupplung sitzt in Fahrtrichtung vorne, die Steuerung der Ventile erfolgt über eine Kette. Im Laufe der langen Bauzeit wurden vom Motor verschiedene Ausführungen entwickelt.
Die ersten Modelle des Saab 900 waren zumeist mit einem Ein- oder Doppelvergasermotor ausgerüstet, der ohne Katalysator auf 100 bzw. 108 PS kommt. Diese Autos sind in Deutschland weitgehend ausgestorben, die verbliebenen Exemplare sind Liebhaberautos, die sich einer normalen Gebraucht- und Gebrauchswagenbewertung entziehen. Einige der Vergasermodelle haben eine Nachrüstung mit G-Kat erhalten, die über den 1. Deutschen Saab-Club zu beziehen ist.
Der 900i mit 8 Ventilen und K-Jetronic (85 kW / 115 PS, ab etwa 1985 auch mit geregeltem Katalysator und 81 kW / 110 PS erhältlich) ist ein tapferes Arbeitspferd und ist in allen geschlossenen Karosserieformen zu haben - außerdem ist er die billigste Möglichkeit, Saab 900 zu fahren. Allerdings ist der Verbrauch mit 9-12 l/100 km Normalbenzin relativ hoch. Dafür ist die Zugänglichkeit aller Komponenten gut und die Servicefreundlichkeit auch für Selbermacher am besten.
Lebendiger sind die 900i 16V ab 1988 mit 93kW / 126 PS. Der Sechzehnventil-Zylinderkopf ist eine deutlich modernere Konstruktion, die höhere Verdichtungen und besseren Gaswechsel erlaubt und damit einen besseren Wirkungsgrad. Später gab es denselben Motor auch mit 2,1 Liter Hubraum und 100 kW / 136 PS (auf anderen Märkten mit 103 kW / 140 PS angegeben), der vor allem im Cabrio größere Verbreitung fand. Diese Sechzehnventiler-Saugmotoren dürften als die beste Allround-Motorisierung gelten, ohne Turbo-Ärger, mit guter Ausstattung und günstigem Benzinverbrauch (8-10 l/100 km).
Der Softturbo oder Light Pressure Turbo (LPT) kam ohne APC und Ladeluftkühler auf 104 kW / 141 PS. Schwerpunkt der Entwicklung war hohes Drehmoment, was bei Saab auch heute noch hohe Priorität genießt. Der Motor ist in vielen 900 der letzten Baujahre 1990-1993 anzutreffen. Es ist möglich, einen Softturbo-Motor auf den technischen Stand des Vollturbo-Modells aufzurüsten.
Wer auf hohe Fahrleistungen wert legt, ist mit den Vollturbos am besten bedient, die als Achtventiler 107 kW / 145 PS ohne Ladeluftkühler, 110 kW / 150 PS mit Ladeluftkühler (114 kW / 155 PS auf anderen Märkten) und 103 kW / 140 PS mit Ladeluftkühler und G-Kat leisten. Ganz frühe Versionen ohne APC (Ladedruckregelung per Klopfsensor) mit ebenfalls 107 kW / 145 PS dürften weitgehend ausgestorben sein. Der 16 V Turbo kam auf 129 kW / 175 PS ohne und 118 kW / 160 PS mit Katalysator, darüber hinaus gab es vom Werk erhältliche, auch nachrüstbare Tuningstufen bis 136 kW / 185 PS. Alle Turbos sind eher nach dem alten Schlag mit zähem Turboloch und heftigem Schub ab etwa 2.500 bis 3.000 Umdrehungen - was dem Fahrspaß nicht abträglich ist, wenn man nicht gerade eine eng gewundene Serpentinenstrecke befährt. Dann befindet man sich immer irgendwie im falschen Gang. Allerdings beansprucht das hohe Drehmoment sowohl die Kraftübertragung als auch die Vorderreifen sehr stark. Der Benzinverbrauch bei den Turbos ist sehr abhängig von der Fahrweise und liegt zwischen 8,5 und 15 l/100 km, wobei auch hier die Achtventiler mehr Benzin brauchen als die moderneren Sechzehnventiler.
Getriebe
Der 900 hat eine sehr eigentümliche Konstruktion - das Getriebe sitzt unter dem Motor und ist mit dem Differential verblockt. Das Getriebegehäuse bildet gleichzeitig die Ölwanne. Der Antrieb des Getriebes erfolgt von der Kupplung aus über eine Dreifach-Kette, die in den Schmierkreislauf des Getriebes einbezogen ist.
Die meisten 900 haben ein Fünfgang-Schaltgetriebe. Nur in den ersten Baujahren gab es vereinzelt Modelle mit Viergang-Schaltgetriebe.
Das Automatikgetriebe (Borg-Warner) ist ebenfalls unter dem Motor eingebaut. Durch die engen Platzverhältnisse hat es nur 3 Gänge und keine Wandlerüberbrückung. Das ist weder den Fahrleistungen noch dem Benzinverbrauch dienlich - es rechtfertigt keinen Aufpreis, eher im Gegenteil. Turbomotor mit Automatikgetriebe sollte man vermeiden, denn mit dem enormen Drehmoment ist der Selbstschalter deutlich überfordert und quittiert vorzeitig den Dienst. Ein Umbau auf Schaltgetriebe ist möglich, aber ziemlich arbeitsintensiv; ein handgeschaltetes Schlachtfahrzeug aus ähnlichem Modelljahr sollte zur Verfügung stehen.
Modelljahre und Facelift
Gelegentlich anzutreffen und von der Technik dem Saab 900 sehr ähnlich sind die letzten Modelle des Vorgängers Saab 99 bis 1983/84 und der als Übergangs- und Einstiegsmodell gebaute Saab 90 von 1984/85. Es handelt sich bei letzterem effektiv um einen Saab 99 mit dem 900 Sedan-Heck.
Ein Tip für Liebhaber von Oldtimern ist beim Saab 900 das Baujahr 1979 und teilweise 1980, da hier noch der alte B-Motor verbaut wurde (danach: H-Motor). Die Autos unterscheiden sich auch in sehr vielen Details von den späteren Baujahren: Radstand, Vorderradaufhängung, Außenspiegel, Armaturen und Innenausstattung sowie Zierleisten und Grill. Solche Teile sind selten geworden und finden sich am ehesten auf skandinavischen Schrottplätzen, während so gut wie alle Verschleiß- und Serviceteile weiterhin lieferbar sind.
Zum Modell 1987 wurde das einzige größere Facelift am 900 vorgenommen. Die Stoßstangen ragen nicht mehr kantig in den Fahrtwind, sie wurden gerundet und gehen vorne in die Frontschürze über. Die Scheinwerfer wurden angepaßt und unten nach vorne gekippt. Das alte Modell wird allgemein "Steilschnauzer" genannt, das neuere Modell passend zu den Scheinwerfern "Schrägschnauzer".
Technisch markiert das Modelljahr 1988 einen Schritt nach vorne. Diese Fahrzeuge sind konstruktiv und von der Verarbeitung besser und sogar noch weniger anfällig für Rost, Elektrik-Probleme oder Öllecks an Motor und Getriebe. Das Getriebe wurde verbessert und die Bremsanlage wurde zu diesem Zeitpunkt aus dem Saab 9000 übernommen, die Handbremse wirkt nun konventionell auf die Hinterachse. Ab diesem Modelljahr war konnte ABS geordert werden.
Ab 1990 wurde das Programm gestrafft, die Achtventiler-Motoren wurden eingestellt, dafür kam der Softturbo-Motor oft zum Einsatz. Kurz vor Produktionsende wurde noch ein Fahrerairbag eingeführt.
Karosserien
Beliebt sind Fünftürer mit den schwächeren Motoren als sicheres Familienauto und gut ausgestattete Dreitürer mit Turbo sowie Cabrios als Liebhaberautos. Die Limousine (Saab-Bezeichnung "Sedan") ab 1981 mit zwei und vier Türen bietet eine Durchlademöglichkeit, die Rückbank ist genauso wie bei den Heckklappen-Modellen (Saab-Bezeichnung "CombiCoupé") mit 3 und 5 Türen umklappbar. Der Kofferraumdeckel ist aber nicht sehr groß und reicht nicht bis an die Stoßstange herunter wie bei den Drei- und Fünftürern. Der Sedan wurde hauptsächlich für den US-Markt produziert. Auf dem 2-Türer basiert das Cabrio, das sich großer Beliebtheit erfreut.
Ausstattung und Extras
Die Basisausstattung beschränkt sich auf Servolenkung, Fünfganggetriebe (in den ersten Modelljahren gab es gelegentlich noch Vierganggetriebe) und meistens Drehzahlmesser sowie Saab-Spezialitäten wie beheizbare Sitze, einen Pollenfilter und Scheinwerfer-Wischwaschanlage. Unter den Uni-Farben hat es einige sehr zeittypische Farben, die heute seltsam wirken. Dunkelblau, schwarz, weiß oder rot sind davon am weitesten verbreitet. Der 900 hat ein komfortables Interieur und sehr gute Sitze. Vor allem in der "Contour"-Ausführung mit den "Halbkreisen" wurden sie von der Presse oft als die besten Autositze der Welt gelobt. Alle 900 haben eine leistungsstarke Heizung und gute Belüftung.
Extras sind in den neueren Baujahren einfacher zu finden und helfen das Auto später wieder zu verkaufen: Zentralverriegelung, Schiebedach, elektrische Fensterheber und Metalliclackierung wären schön und Leder und Klimaanlage sind bei den Turbos gesucht.
Gut erhaltenes Leder ist Pflicht für Cabrio-Käufer, aber auch in den geschlossenen Karosserien findet man öfter Lederausstattungen, die sich auch einfach nachrüsten lassen, da es sich nur um die beiden Vordersitze und die Rückbank handelt, alles andere ist gleich wie in den Modellen mit Velourspolsterung.
Tempomaten waren teilweise sogar serienmäßig, auch hier ist eine Nachrüstung möglich.
Klimaanlagen sind dem aktuellen Trend bei Neuwagen entsprechend gefragt, zur Bauzeit des 900 gab es aber ausschließlich R12-Anlagen. Auch die Klimaanlage läßt sich recht einfach nachrüsten.
Beliebt und gesucht sind gut erhaltene Original-Holzarmaturenbretter und Holzlenkräder oder die dreispeichigen "Aero"-Felgen sowie andere Teile aus dem Saab-Zubehör-Programm.
Spezielle Modelle
Unter den Turbomodellen ist der 900 Turbo 16 S am begehrtesten. Er wird gelegentlich auch "Aero" oder "SPG" bezeichnet. Erkenntlich ist das "16 S"-Modell an der leichten Tieferlegung und dem Airflowkit, das bewirkt daß 5 km/h mehr Höchstgeschwindigkeit erreicht werden. Die ideale Ausstattung des dreitürigen S lautet: schwarze Farbe, Leder, Klima und Schaltgetriebe. Manchmal werden für solche Autos Phantasiepreise verlangt (und gelegentlich bezahlt), die nicht zu rechtfertigen sind.
Die Nachfrage nach Saab Cabrios ist sehr stark - ein echtes Liebhaberauto. Im Unterschied zu den geschlossenen Karosserien gibt es hier öfter auch mal ein Exemplar mit geringer Laufleistung - die meisten Fahrzeuge sind jedoch als Alltagsautos benutzt worden und haben entsprechend ihrem Alter Gebrauchsspuren. Durch den speziellen Status des Cabrios gibt es besonders im Frühjahr viele teure Angebote, bei denen Substanz und Pflegegeschichte des Wagens in keinem Verhältnis zum geforderten Preis stehen. Mit Geduld, Zeit und Hartnäckigkeit läßt sich auch ein solides 900/I-Cabrio zu einem vernünftigen Einstandspreis auftreiben. Wer partout einen offenen Saab fahren will sollte in seine Überlegungen ein Exemplar des 900 / II oder besser 9-3 einbeziehen. Diese Modelle haben ein besseres Preis-Leistungsverhältnis und werden sogar zum Teil günstiger gehandelt als Top-Exemplare des hier besprochenen Vorgängermodells.
Hohe Preise werden insbesondere für Cabrios Bj. 93 verlangt, was eigentlich keinen Sinn macht, außer daß ihre Ausstattung (Airbag) wie bei vielen Auslaufserien sehr gut war. An Sonderserien gab es die "Monte Carlo Edition" mit gravierter Plakette am Armaturenbrett und knallig gelber Lackierung und die gut ausgestatteten TOP-Modelle mit Softturbo und Airbag Bj. 1993.
Reimporte
Wegen der unterschiedlichen Bewertung der Saab 900 Turbos und Cabrios in den europäischen Märkten sind hierzulande auch etliche Fahrzeuge/Cabrios im Umlauf, die aus Südeuropa (insbesondere Italien) importiert wurden. Zum Teil weisen diese Autos keinen geregelten Katalysator auf, der aber mit einem gewissen Aufwand nachgerüstet werden kann. Leider ist bei diesen Importautos die Historie von der Laufleistung bis zur Wartungsgeschichte oft unklar und nicht selten zweifelhaft. Auch trifft man hin und wieder auf Exemplare, die schnell mit viel Improvisation für den Verkauf nach Deutschland hergerichtet wurden.
ANSCHAUEN: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist wichtig !
Allgemein
Durch die ungewöhnliche Optik und den hohen Neupreis wurden viele dieser Fahrzeuge neu von Freiberuflern gekauft. Bei manchem gehörte zum Lebensstil das Verludernlassen des Autos. Trotz Erstbesitz muß man die Rechnungen und das Scheckheft also genau studieren - ungepflegte Autos erkennt man aber leicht. Kratzer und Dellen sollte man vermeiden, da eine Reparatur sehr teuer kommt. Leichte Unfallschäden im Frontbereich sind nicht ungewöhnlich, denn die massiven Stoßstangen laden fast dazu ein, auch mal etwas auf Kontakt zu parken und die Länge der Karosserie (länger als der Saab 9000 !) wird vom Fahrersitz aus gerne unterschätzt. Die runderen Stoßstangen ab Modell 1987 sind abhängig von Außenfarbe und Motorisierung lackiert, Kratzer sieht man also um so deutlicher. Leider sind diese Teile ziemlich teuer und gebraucht schwer zu beschaffen - also Obacht. Die eckigen Stoßstangen aus den Modelljahren davor sind dagegen gut verfügbar und gebraucht preiswert zu bekommen.
Karosserie + Rost
Gepflegte Autos weisen unabhängig von Baujahr und Laufleistung einen guten Karosseriezustand auf. Die Lackierung war immer dick und strapazierfähig, der Rostschutz gut. Vernachlässigung und Unfallschäden können jedoch zu Rostnestern führen. Die häufigsten Roststellen sind die vorderen Türen, die Radläufe vorne, der Bereich des Antriebswellentunnels an der Vorderachse und sporadisch die Motorhaube. Anders als bei vielen anderen Autos wird beim Saab 900 Rost häufig zuerst ein Schönheitsproblem, bevor es wirkliche Schwierigkeiten bei der Hauptuntersuchung gibt.
Mechanik
Mechanisch sind die Autos sehr haltbar konstruiert und qualitativ gut zusammengebaut, aber wenn es Probleme gibt, können sie sehr teuer sein. Bei guter Wartung erreichen viele Fahrzeuge gigantische Laufleistungen jenseits der 300.000 km ohne große Probleme.
Das Getriebe
Eine Ausnahme ist das Getriebe - die Achillesferse des Saab 900, zumindest in den stark motorisierten Versionen. Die Grundkonstruktion des Getriebes war Viergang, für die 80 PS des ersten 99 vorgesehen und damit auch sehr haltbar. Deshalb haben die meisten 900er um die 200.000 km eine mehr oder weniger tiefgreifende Getriebeüberholung nötig. Die ersten Anzeichen sind ein heulendes Geräusch ähnlich wie ein singendes Differential bei Landstraßentempo. Wenn man das auch im dritten Gang hört, ist der Schaden schon fortgeschritten. Wenn man früh genug dran geht, reicht es die Kegelradlager auszutauschen, aber dazu benötigt man fette 13 Stunden Arbeit und der Motor muß ausgebaut werden. Ein komplettes Austauschgetriebe von Saab kostet über 3000 Euro. Etwas mißtrauisch sollte man werden bei überholten Getrieben. Eventuell wurde für den Verkauf des Fahrzeugs nur das getauscht, was vollständig verschlissen war und alles andere blieb am Platz. Eine Getriebeüberholung beim Saab 900 ist Vertrauenssache. Es kann nicht schaden, heraus zu bekommen wer die Überholung durchgeführt hat und eventuell den Überholer zu befragen.
Besonderheiten und Schwachstellen
Defekte an der Servolenkung resultieren in schwergängigen oder zähen Reaktionen nach dem Kaltstart. Der Behälter sollte sauberes Öl aufweisen, nicht dicke schwarze Brühe. Die Schäuche und die Lenkung selbst sind gerne undicht. Kostenpunkt für ein neues Lenkgetriebe liegt bei etwa 650 Euro ohne Einbau.
Der Auspuff ist mittlerweile im Zubehörhandel recht günstig zu bekommen, hält dafür aber auch nur noch so lange wie der von anderen Fabrikaten - 2 bis 4 Jahre je nach Einsatz. Frühere Saab-Originalauspüffe waren langlebiger. Gelegentlich bilden sich Risse im Auspuffkrümmer, vor allem bei den Turbomotoren und seltener bei den 900i 16V. Früh genug entdeckt, kann man versuchen zu schweißen, denn ein neues Teil kostet bei Saab für den Turbo etwa 450 Euro, bei unabhängigen Teilehändlern etwa 300 Euro.
Alle Motoren sollte man auf ratternde Steuerketten und laute Stößel überprüfen. Achtventilmotoren haben keinen hydraulischen Ventilspielausgleich, was gerne vergessen wird. Die Ventile müssen alle 30.000 km überprüft und gegebenenfalls eingestellt werden. Dazu muß die Nockenwelle ausgebaut und die Unterlegplättchen ausgetauscht werden - für Selbermacher ungünstig. Verschlissene Steuerketten sind schwierig auszutauschen, Saab liefert geschlossene Ketten, wozu der Motor ausgebaut werden sollte (es geht mit sehr viel Mühe und der Gefahr von Öllecks auch ohne), von anderen Zulieferern gibt es auch Ketten mit Schloß. Neben der Kette verschleißt auch der Kunststoff der Kettenführungen. Diese lassen sich ohne einen Motorausbau nicht austauschen.
900 Turbos können genauso langlebig sein wie die schwächeren Exemplare, verlangen dazu aber regelmäßige und umsichtige Pflege. Alle 10.000 km ein Ölwechsel mit vollsynthetischem Öl und Filterwechsel ist absolute Pflicht, soll der Lader nicht vorzeitig den Geist aufgeben. Nach hartem Einsatz (Autobahn) sollte man den Motor noch eine Minute im Stand laufen lassen, um den Lader abzukühlen. Ein kaputter Turbolader läßt sich entdecken, indem man bei warmgefahrenem Motor aus dem Leerlauf kurz das Gaspedal voll durchdrückt. Eine kleine Wolke blauer oder weißer Rauch deuten auf bevorstehende hohe Rechnungen hin. Das kann auch schon vor 100.000 Kilometern vorkommen, je nachdem wie der Turbo bisher behandelt wurde. Blauer Rauch aus dem Auspuff deutet allgemein auf teuere Defekte hin, wenn nicht der Turbo defekt ist, so ist der Zylinderkopf verschlissen und muß überholt werden. Gerne brennen auch die Zylinderkopfdichtungen durch, viele 900 haben bereits die zweite oder dritte Kopfdichtung eingebaut, sie gilt beim Saab quasi als Verschleißteil. Die Original-Elring-Dichtung hält länger als Nachfertigungen. Probleme können bei Turbos mit häufigem Tausch der Kopfdichtung entstehen. Wenn jedesmal der Zylinderkopf geplant wird, kann die Verdichtung des Motors ansteigen und thermische Probleme bereiten. Die Motoren klingeln dann bei hoher Last und niedrigen Drehzahlen. Guter Kraftstoff ist deshalb sinnvoll ist beim Turbomotor. Auch wenn der Kat-Motor für Normalbenzin ausgelegt ist, kann es sinnvoll sein, dem guten Stück Super 95 oder gar noch klopffestere Kraftstoffsorten zu gönnen.
Turbos brauchen abhängig von der Fahrweise häufig neue Bremsbeläge und gelegentlich Scheiben. Immerhin sind diese Teile recht preiswert. Die Bremssättel der Modelle bis inklusive 1987 mit Handbremse auf die Vorderachse schlagen gerne aus, was sich in einem üblen Krachen bemerkbar macht, wenn man beim Rückwärtsfahren auf die Bremse tritt oder die Handbremse zieht. Das ist aber ein kosmetischer Mangel und beeinträchtigt die Funktion und Lebensdauer der Bremse nicht. Gelegentlich stellt die Handbremse eines solchen Modells auf einer Seite die Funktion ein, dann sind neue Bremssättel fällig - das Paar kostet etwa 275 Euro von einem Saab-Teile-Versender.
Fährt der Saab schwammig oder gibt es Knackgeräusche aus dem Bereich der Vorderachse, sind wie bei vielen anderen Autos auch die Traggelenke oder Spurstangenköpfe defekt. Der Austausch ist einfach, die Gelenke recht preiswert. Trotzdem sollte man diese Geräusche nicht auf die leichte Schulter nehmen - andere Geräuschquellen sind die Radlager oder die inneren Gummilager der Querlenker.
Ein schlechter Leerlauf und schwieriger Kaltstart kommt von schlechter Pflege und läßt sich oft recht preiswert beheben - auch wenn die Fehlersuche mühsam sein kann. Die Steuergeräte für die Einspritzanlage gehen dagegen selten kaputt, eher sind andere Teile der Einspritz-, Zünd- oder Ladestromanlage defekt. Viele dieser Teile kommen von Bosch und können vom Boschdienst oder über Saabteileversender günstiger bezogen werden als von Saab direkt. Außerdem gibt es ein gutes Gebrauchtteilebackup für Saab-Fahrzeuge. Bevor man etwas kauft, sollte man einen Quercheck mit einem als funktionierend bekannten Teil unternehmen, um sich wegen der Fehlerquelle sicher zu sein.
Das Zündschloß zwischen den Vordersitzen ist immer etwas hakelig und bei ganz alten 900 sind sie manchmal so ausgeschlagen, daß es egal ist, welchen Schlüssel man reinsteckt: Sie lassen sich mit jedem herumdrehen. Wenn sich der Rückwärtsgang nur noch schwer herausnehmen läßt, ist der Rückwärtsgang-Sperrring des Schalthebels verschlissen.
Ein gesuchtes Extra ist die Klimaanlage. Diese muß funktionieren, falls sie es nicht tut, muß man mit Reparaturen zwischen 200 (kleiner Klimaservice) und 800-900 Euro (neu: Kompressor, Schläuche, Kondensor und Filtertrockner) rechnen. Günstig ist, wenn die Anlage schon auf R134a umgerüstet wurde, denn dann kann ein Service der Anlage einfacher stattfinden.
Das elektrische Schiebedach ist relativ langsam und der Motor (im Kofferraum rechts neben dem Reserverad) fällt in seltenen Fällen aus. Fast besser ist das mechanische Schiebedach, das sich mit einer Handbewegung auf- und zuwerfen läßt. Die große Luke, die durchs Schiebedach geöffnet wird, sitzt vergleichsweise weit vorne und sorgt für ein sehr angenehmes, fast cabrioartiges Frischluftgefühl - ein Tip für den Genießer unter den 900-Freunden.
Nicht selten wird der Kilometerstand manipuliert. Der Zustand des Autos und die Kilometer auf dem Tacho sollten also zusammenpassen. Auch das zeigt, daß man auf alte Rechnungen und Scheckhefte wert legen sollte, denn nur so kann man sich ein Bild machen, was es sich mit dem jeweiligen Auto auf sich hat und ob seine Geschichte glaubwürdig und nachvollziehbar ist.
Beim Cabrio sollte das Verdeck rißfrei und ohne abgeschabte Stellen und bleibende Knicke sein. Starke Gebrauchsspuren an den Aufnahmen der Schließhaken zeugen von etwas lieblosen Umgang mit dem Auto. Die serienmäßige Verdeckhydraulik braucht nur kurze Zeit, das Verdeck hin- und herzufahren, laut krachende Geräusche aus dem Verdeckgestänge sind verdächtig. Ersatzteile für Gestänge, Hydraulik und Dichtleisten sind extrem teuer, daher darf man Defekte nicht unterbewerten. Das Verdeck selbst ist bei darauf spezialisierten Betrieben (Autosattler) wesentlich billiger als von Saab direkt. Man sollte aber im Ersatzfalle auch die vom Werk verbaute "Sonnenland"-Stoffqualität wieder verwenden, denn das gut passende und dichte Verdeck ist der große Vorzug dieses offenen Autos aus dem Norden.
Fazit: Kaufen und Vermeiden
Kaufen
- Gepflegte Turbo Cabrios zu vernünftigen Preisen - als Sommer- und Spaßautos mit geringem Wertverlust für Hardcore-Saabfans
- Fünftürige 900i 16V mit Schiebedach und schöner Farbe - als belastbare, vielseitige Familienkutsche
- Turbo 16 S in dunkler Farbe mit Leder und Klima - das Kultauto von Saab, zu Architekturstudentenpreisen erhältlich ... (jedoch nicht recht Bafög-kompatibel im Unterhalt)
- Andere 900 mit hoher Laufleistung, wenigen Besitzern und regelmäßiger Scheckheftwartung - für Individualisten, die wenig Geld investieren wollen, das eine oder andere selbst machen können und auch etwas Risiko nicht scheuen.
Vermeiden
- Ungepflegte Autos und solche mit verdächtig niedrigem Kilometerstand - Vorsicht Falle !
- schlecht behobene Unfallschäden mit erkennbarer Rostbildung - Karosseriearbeit ist teuer
- Verheizte Turbos - Turbomechanik ist auch nicht billiger
- 2-türiger Sedan - das unbeliebteste Modell beim 900, schlechter Wiederverkauf, eben eine Preisfrage ...
- Verbrauchte Cabrios zu Mondpreisen - Cabriospezifische Teile sind fast unbezahlbar
- Automatik - macht das Auto temperamentlos und durstig, auch nicht haltbarer als die Schaltgetriebe, schlechter Wiederverkauf
- Seltsame Uni-Farben (babyblau oder schokobraun) - was sollen die Nachbarn denken ?
© H. Lehmann, ladedruck (ätt) gmx.de